Nicht Äpfel mit Birnen vergleichen

28.12.2017

Schulden-Vorwürfe der FDP: Stadtverwaltung bezieht öffentlich Stellung

Wer am Mittwoch die Homepage der Stadt angeklickt hat, entdeckte dort unter dem Stichwort „Schwächen einer Schuldenstatistik“ eine aktuelle Pressemitteilung. Hinter der für Normalbürger eher kryptischen Formulierung verbirgt sich eine nur wenig kaschierte verbale Ohrfeige vonseiten der Stadtverwaltung für die FDP. Eine Formulierung wie „unredlich“ liest man nämlich sonst nicht in Verlautbarungen aus dem Rathaus.

Grund für die behördliche „Gegendarstellung“: Die FDP hatte in der Sitzung des Rates Ende November durch ihren Ratsherren Dr. Ralf Kirstan erklären lassen, Rinteln sei im Vergleich mit Kommunen zwischen 20 000 und 30 000 Einwohnern in Niedersachsen am vierthöchsten verschuldet (wir berichteten). Eine Behauptung, die man in der Verwaltung so nicht stehen lassen und wohl unbedingt vor Jahresende richtigstellen wollte. Das vorliegende Statement ist ein Gemeinschaftwerk von Bürgermeister Thomas Priemer, Kämmerer Jörg Schmieding und Stadtwerke-Geschäftsführer Jürgen Peterson.

Dabei war Kirstan, als Studienrat eher Experte für Geschichte, nicht der Ideengeber für den Schuldenalarm, nur Überbringer der Nachricht. Den Vergleich hatten Ortsverbandsvorsitzender Heiner Schülke und FDP-Finanzexpertin und Bilanzbuchhalterin Stephanie Ballhorn im Internet recherchiert. Warum erst jetzt? Bei der FDP ist es wohl der Frust, dass es mit CDU wie WGS nach den Kommunalwahlen trotz entsprechender Absprachen keine Neuausrichtung der Finanzpolitik der Stadt gegeben hat.

Dem ehemaligen britischen Premierminister Sir Winston Churchill wird der Satz zugeschrieben „Traue keiner Statistik, die Du nicht selber gefälscht hast“. Soweit wollte Priemer gestern in einem Telefongespräch nicht gehen. Die Statistik sei nicht falsch, aber hier würden „Äpfel und Birnen“ verglichen. Dadurch ergebe sich ein falsches Bild.

Kirstan hatte als Quelle seiner Informationen die Internetseite www.haushaltssteuerung.de genannt. Verschwiegen habe er allerdings, sagt Priemer, dass 13 der dort 39 gelisteten Kommunen keine Angaben zu den Verbindlichkeiten ihrer Beteiligungen machen. Es gebe damit keine vergleichbare Basis. Was weiter fehle: Statistik seien Zahlen, die Realität komplexer. Beispiel Topografie. Eine flächenmäßig relativ kleine Kommune wie Stadthagen müsse weniger Straßen oder Abwasserleitungen unterhalten, weniger Feuerwehren, Grundschulen, Kitas bereitstellen wie das fast doppelt so große Rinteln. Der kommunale Finanzausgleich wiederum berücksichtige das nicht.

Man könne die Kasse einer Kommune sicher schnell sanieren, wenn man das „Tafelsilber“ verkaufe, etwa die Stadtwerke. Was Kommunen in NRW auch gemacht haben. Bekanntestes Beispiel: Düsseldorf. Nur gebe man damit die Kontrolle über einen wichtigen Teil kommunaler Daseinsvorsorge ab an Eigentümern, die mehr an einem Gewinn interessiert seien, als daran, ein Freibad und Hallenbad in der Stadt zu erhalten.

Die FDP habe auch unter den Tisch fallen lassen, dass das Geld für Investitionen ausgegeben worden ist, die zur Steigerung der Lebensqualität aller Bürger beigetragen haben, Investitionen, die über 20, 30 Jahren finanziert werden müssen wie die Fußgängerzone.

FDP-Ortsverbandsvorsitzender Heiner Schülke stand gerade auf dem Weg zur Nordsee im Stau, als unsere Zeitung ihn telefonisch erreichte. Nein, er habe die Presseerklärung der Stadt noch nicht gelesen. Das ändere für ihn aber nicht, dass der Schuldenstand der Stadt zu hoch sei.

Die FDP will weiter auf der Spur bleiben: Schülke kündigte an, man habe sich die Zahlen für die neu gegründete Academia Rinteln GmbH angeschaut. Da gebe es Unstimmigkeiten.

© Schaumburger Zeitung, 28.12.2017