Billiger Strom - nur nicht für den Kunden

16.05.2013

Umlagen für erneuerbare Energien setzen Markt außer Kraft

Rinteln. Strom ist eigentlich eine Ware wie jede andere und sollte damit dem Wechselspiel zwischen Angebot und Nachfrage unterliegen, das bekanntlich den Preis regelt. Soweit die Theorie. Strom sei zurzeit an der Strombörse in Leipzig günstig zu beschaffen, schildert Thomas Rinnebach, Vertriebschef und Prokurist bei den Rintelner Stadtwerken, trotzdem profitiert der Kunde davon nicht.

Es ist der Mechanismus des Erneuerbaren Energie Gesetzes (EEG), der die Spielregeln des Marktes unterläuft. Rinnebach erläutert das, damit es verständlich wird, vereinfacht so: Die Politik habe allen, die Strom aus Photovoltaik, Biogasanlagen oder Windkraftanlagen ins Netz einspeisen, einen bestimmten Preis garantiert – bis zu 20 Jahren. Dieses Vorgehen sei auf dem Weg zur Energiewende grundsätzlich zu begrüßen, der Pferdefuß dabei: Dieser „Garantie“-Preis werde jedoch beim Verkauf des EEG-Stroms an der Börse, aufgrund der zurzeit günstigen Börsenpreise, nicht ansatzweise realisiert. Der normale Stromkunde muss – so sieht es das Gesetz vor – die Differenz zahlen. Rinnebach: „Das geschieht über die EEG-Umlage, die mit aktuell 5,277 Cent auf die Kilowattstunde aufgeschlagen wird zusammen mit einer Vielzahl weiterer gesetzlicher Umlagen und Abgaben. Alles zusammen, über die Hälfte des Strompreises“.

Erschwerend komme hinzu, so Rinnebach, dass sich viele Betriebe aus der Zahlung der Umlagen verabschiedet haben, nachdem die Politik das Schlupfloch für „stromintensive“ Unternehmen aufgemacht hat. Das habe sich herumgesprochen. Rinnebach: „Wie man in der Branche hört, waren es am Anfang vielleicht 200 Betriebe, 2012 bereits 979. In diesem Jahr sollen 2245 Firmenstandorte die EEG-Umlage nicht zahlen.“

Eine weitere Ursache für den Preisverfall für Strom, erläutert Rinnebach, sei die Tatsache, dass sich die EU nicht habe entschließen können, den Emissionshandel neu zu regeln. Mit der Folge, dass alte Braun- und Steinkohlekraftwerke, teils längst abgeschrieben, auf Volllast laufen und munter Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen, weil das ja nichts mehr kostet: früher 30 Euro die Tonne, heute etwa drei Euro. Saubere Gaskraftwerke produzieren zurzeit kaum noch kostendeckend Strom.

Nur drei Szenarien, die ermessen lassen, wie komplex das Thema Strompreisgestaltung ist. Für die Stadtwerke Rinteln bedeutet das: „Durch dieses Gesamtpaket hat sich Planbarkeit und Spielraum bei der Kalkulation weiter drastisch eingeschränkt“, schilderte Rinnebach.

Rinnebach kauft mit seinem Team, zu dem auch Christian Kramer, Caroline Prasuhn und Manfred Nowak gehören, den kompletten Jahresbedarf an Strom und Gas für alle Kunden der Stadtwerke ein. Das waren im Jahr 2011 rund 105 Millionen Kilowattstunden an Strom und 270 Millionen Kilowattstunden Gas, das an 15000 Stromkunden und 4700 Erdgaskunden weitergereicht worden ist. Etwa 7 Millionen Kilowattstunden Strom gehen in fremde Netze, die Stadtwerke haben nämlich auch eine wachsende Anzahl Kunden außerhalb ihres eigenen Gebietes. Macht unter dem Strich rund 16 Millionen Euro im Jahr, die beim Energieeinkauf investiert werden.

Was den Handel maßgeblich mit beeinflusst: Strom lässt sich nicht in großer Menge speichern. „Wir hatten in letzter Zeit schon Tage“, schildert Rinnebach, „da wurde Strom an der Börse fast verschenkt und ins Ausland weitergeleitet. Das waren Wochenenden, an denen die Sonne schien, der Wind wehte und gleichzeitig in vielen Industriebetrieben die Maschinen still standen, es also ein Überangebot an Strom gab“. Strom- und Gaseinkauf ist für das Stadtwerke-Team bei diesen Mengen eine Frage von Marktbeobachtung, Erfahrung, der Einschätzung der politischen Weltlage und letztendlich des Wetters. Logisch: Ordert die Vertriebsabteilung zu wenig Gas, weil die Winter der Vorjahre mild waren und dann fegt die „Russenpeitsche“ über das Land, ein bitterkaltes Hoch aus dem Osten, steigen, logisch, sofort die Gaspreise, weil alle Stadtwerke jetzt zukaufen müssen.

Damit der Einkauf nicht zu einem reinen Lotteriespiel wird, beschafft das Stadtwerke-Team deshalb unterschiedliche Mengen zu unterschiedlichen Zeitpunkten – das mindert das Risiko.

 

© Schaumburger Zeitung, 16.05.2013; Hans Weimann