Sonne im Plus - Bilanz der Anleger auch

16.02.2013

Mit Biogas, BHKW und Solar macht Rinteln für die Hälfte der Haushalte den Strom schon selbst 

Rinteln (wm). Das hätte sich vor zehn Jahren noch niemand vorstellen können: Mit den Solaranlagen, Blockheizkraftwerken und Biogasanlagen in Rinteln könnte man inzwischen die Hälfte aller Haushalte der Stadt das ganze Jahr über mit Strom versorgen. Das „Klimabündnis“ aus Politik, Institutionen und Privatpersonen hat den überraschend schnellen Ausbau der dezentralen Stromerzeugung möglich gemacht.

Mehr noch: „Hätten wir noch vier bis fünf Windkraftanlagen vor der Tür“, schildert Stadtwerkechef Jürgen Peterson, „kämen wir bald auf hundert Prozent.“ Was allerdings in der Praxis bedingt durch die besondere Situation in Rinteln kaum realisierbar ist.

Peterson hat einmal zusammengerechnet: die 35 Blockheizkraftwerke in der Stadt, darunter die großen Anlagen im Kreiskrankenhaus und Hallenbad Steinbergen, die 346 Photovoltaikanlagen und die vier Biogasanlagen, die Windkraftanlage in Strücken und Wasserkraftanlage an der Exter können zusammen rund 20,12 Millionen Kilowattstunden Strom erzeugen. Das entspricht dem Jahresbedarf von über 5000 Haushalten, unterstellt man einen durchschnittlichen Jahresbedarf von 4000 Kilowattstunden.

Rechnet man die Blockheizkraftwerke heraus, die zwar effizient arbeiten, aber nicht explizit zu den regenerativen Energien zählen, bleiben immer noch 16,83 Millionen Kilowattstunden purer „grüner Strom“, der in Rinteln erzeugt wird.

Berücksichtigt man dabei noch, dass Windrad wie Wasserkraftanlage eher Mini-Anlagen sind, auch die Biogasanlagen nicht gerade überdimensioniert, ist das bereits jetzt ein bemerkenswertes Ergebnis für eine Stadt der Größe Rintelns. Bereits mit dem zurzeit vorhandenem Knowhow wäre es damit möglich, ganz Rinteln mit selbst erzeugten Strom zu versorgen.

Ihren Anteil am „grünen Strom“ hat auch die Bürgersolaranlage in Deckbergen, die seit einem Jahr in Betrieb ist, und, so Peterson die Erwartungen übertroffen hat.

Wenn man so will, spiegelt die Solaranlage die Sonnenstunden über das Jahr wieder. Deshalb versäumt Sven Schaper, Meister in der Elektroabteilung, keine Wettervorhersage. Er kann online verfolgen, wie viel Strom die Anlage produziert, ob alles störungsfrei läuft, ob die Wechselrichter arbeiten, wie sie sollen.

Rund 850000 Kilowattstunden sollte der Solarpark Deckbergen im Jahresschnitt erwirtschaften, hatte man während der Planung bei den Stadtwerken hochgerechnet. Mit bisher 970 000 Kilowattstunden wurde daraus ein sattes Plus. Und das trotz der mageren Sonnenstundenausbeute in den ersten Monaten des Jahres. Die besten Monate waren im Vorjahr der Mai und August.

Eine Bilanz, die auch die Anleger freut, die auf einen variablen Ertragszins gesetzt haben und jetzt mehr als den garantierten Zins von 2,5 Prozent erhalten. Wer will, kann übrigens noch in das Projekt Bürgersolaranlage einsteigen. Detaillierte Auskünfte geben die Stadtwerke.

Beteiligt sind die Stadtwerke Rinteln auch am Solarpark in der ehemaligen Deponie Dörentrup, der etwa doppelt so groß ist wie die Anlage in Deckbergen.

Das geniale Konzept im Extertal: Die ehemalige Abfalldeponie musste sowieso abgedichtet werden, da hat man dann gleich fast 10000 Solarmodule darüber gebaut und aus einer Problemlösung ein in Deutschland bisher einmaliges Projekt gemacht.

Kaum eine Woche ohne einen Diskussionsbeitrag in den Medien zum Thema EEG-Umlage. Die aktuelle Variante: Eine einmalige Umlage soll es sein, haben Umweltminister Altmaier und Wirtschaftsminister Rösler angekündigt. Beschlossen ist noch nichts.

Der Protest gegen dieses Konzept richtet sich vor allem gegen den nachträglichen Eingriff in bestehende Verträge. Peterson sieht es gelassener und plädiert für einen Blick auf die konkreten Zahlen. Die diskutierte einmalige Umlage von 1,5 Prozent würde für die Bürgersolaranlage in Deckbergen rund 3000 Euro ausmachen – keine spektakuläre Summe.

„Lokal autark“, eine Entwicklung, die nicht nur in Rinteln an Fahrt gewinnt, ist inzwischen längst Thema bei den großen Konzernen RWE und E.on und der Politik, vor allem, seit auch Industrieunternehmen begonnen haben, eigenen Strom zu erzeugen. Beispielshaft hier der Autobauer BMW, der in Leipzig vier Windkraftanlagen aufstellt. Der bisherige Kostenvorteil der zentralen Energieversorgung zählt nämlich nicht mehr, so sieht man es in der Branche, weil ihn der teure Netzausbau auffrisst.

Dazu kommt: Dezentrale Stromerzeugung wie in Rinteln ist auch regionale Wertschöpfung und eine Demokratisierung der Stromversorgung. Vorbei die Zeiten, als Stromnetze ausschließlich eine Einbahnstraße waren.

 

© Schaumburger Zeitung, 16.02.2013; Foto: tol