Streit um Proben: Dauerchlorung - Preis für Colifreies Wasser?

23.01.2003

In Rinteln setzt man lieber auf gesundheitlich unbedenkliche UV-Bestrahlung

Gestern tagten im Kreishaus Vertreter der Stadtwerke Rinteln wie der Stadtwerke Schaumburg-Lippe, der Wasserbeschaffungsverbände und des Gesundheitsamtes: Einziges Thema Trinkwasser.

Landkreispressesprecher Klaus Heimann betonte, Grund der Tagung sei nicht die aktuelle Coli-Krise gewesen, sondern die neue Trinkwasserverordnung, der Termin bereits im Dezember vereinbart worden, als noch niemand etwas von Coli-Bakterien im Trinkwasser gewusst habe. Trotzdem sei die Coli-Krise mit Gesprächsthema gewesen.

Zu den ungeklärten Fragen dagegen wollte sich Heimann nicht äußern. Beispiel Wasserkreislauf: Warum sind in den Wasserleitungen der Stadtwerke Schaumburg-Lippe keine Colibakterien nachgewiesen worden, obwohl in Steinbergen wie im Nordkreis dasselbe Wasser aus dem Hahn fließt, wie in Rinteln, Uchtdorf, Möllenbeck?

Dafür gibt es mehrere mögliche Erklärungen: Im Gegensatz zur Praxis der Rintelner Stadtwerke die "unverfälschtes" Wasser ohne jeden Zusatz in die Leitungen pumpen, also ohne Dauerchlorung, setzen die Stadtwerke Schaumburg-Lippe von vornherein dem Trinkwasser, das vom Wasserwerk Engern ins Netz gespeist wird, Chlor zu. Der Bürger merkt es nur nicht, weil Chlordioxid benutzt wird, das geruchlos ist.

In Rinteln will man auch weiterhin auf eine Dauerchlorung, die zwar erlaubt, aber nicht ganz unproblematisch ist, verzichten und dafür "vorbeugend" UV-Licht einsetzen (wir berichteten), was zwar in der Investition teurer, aber gesundheitlich unbedenklich ist. Vorstellbar ist auch, was Rintelns Stadtwerkechef Jürgen Peterson in einer internen Notiz für die Verwaltung festhielt: "Netzproben mit Befunden über Bakterienbelastungen hat es sowohl im Bereich der über das Wasserwerk Engern der Stadtwerke Schaumburg-Lippe mit Wasser versorgten Ortsteile als auch im Netzgebiet der Stadtwerke Rinteln gegeben. Dies lässt im Zusammenhang mit den Beprobungsergebnissen der Stadtwerke Schaumburg-Lippe darauf schließen, dass Probeentnahme- und Auswertungsverfahren sowie die Entnahmezeitpunkte aufeinander abgestimmt werden müssen."

Die Chronologie des Coli-Befalls zeigt außerdem, dass die Analyse-Technik für eine Entscheidungsfindung ihre Tücken hat: Erst zwei Tage nach Entnahme einer Wasserprobe können Labore einen definitiven Befund vorlegen. Das könnte bedeuten, die Rintelner haben längst Wasser mit Coli-Befall getrunken, bevor die Bakterien am 10. Januar im Hochbehälter am Helene-Brehm-Weg entdeckt worden sind. Denn es wird nicht täglich getestet, üblich sind 16 Mal im Jahr. Daran ändert auch die neue Trinkwasserverordnung nichts: Geprüft werden muss nach der Fördermenge.

Als das Abkochgebot am 15. Januar erlassen wurde, gab es keine Coli-Bakterien im Hochbehälter mehr, weil die von den Chlorzugaben längst gekillt waren. Das Abkochgebot wurde vom Gesundheitsamt aufgrund eines zwei Tage alten Befundes, einer Wasserprobe vom 13. Januar erlassen.

Die Proben vom 14. Januar ergaben an den Brunnen in den Rintelner Wiesen keine Bakterienbelastung mehr. Bei den 40 Proben, die am 16. Januar, also einen Tag nach dem Abkochgebot, aus dem Netz genommen wurden, ergaben sich ebenfalls keine Befunde mehr.

Warum Wasser als Wirtschaftsgut von Engern bis Wiedensahl gepumpt wird, dafür gibt es einen einfachen Grund, der auch erklärt, weshalb sich die meisten Trinkwasser-Brunnen ausgerechnet im hochwassergefährdeten Wesertal befinden. Brunnen in höheren Lagen, ob am Taubenberg oder am Bückeberg geben nicht genügend Wasser ab. Mengen, wie sie benötigt werden, findet man nur im Wesertal.

Gefördert wird im wesentlichen aus drei Brunnen in den Rintelner Wiesen und zwei Brunnen im Heinekamp. Weil der Bereich am Heinekamp regelmäßig bei Hochwasser überschwemmt wird, war dieser Brunnen allerdings frühzeitig ausgeschaltet worden. Das Problem, erläuterte Rintelns Stadtwerkegeschäftsführer Peterson, bestehe nicht darin, dass die Brunnen überflutet würden, sondern dass das Weserwasser bei Hochwasser näher an die Brunnen herangeführt wird. Es könne sich dann über wasserführende Schichten unterirdisch mit dem Grundwasser vermischen.

Schaumburger Zeitung, 23. Januar 2003