Coli-Bakterien: Kinder, Senioren und Kranke besonders gefährdet

17.01.2003

Gesundheitsamt: Keine Entwarnung / Stadtwerke chloren und spülen Leitungen

Rintelns Bürger müssen mindestens noch bis Anfang nächster Woche ihr Wasser zum Trinken und Spülen vorher abkochen. Gesundheitsamtsleiterin Dr. Hedwig Pietsch konnte auch gestern noch keine Entwarnung geben: Die rund 23 000 betroffenen Bürger müssten sich leider noch in Geduld üben.

Proben-Ergebnisse lägen dem Gesundheitsamt immer erst 48 Stunden nach der Probenentnahme vor, weil das Wasser im "Nährschrank bebrütet" werden müsse.

Jörg Karlikowski, technischer Leiter der Stadtwerke erläuterte, ein rund 200 Kilometer langes Trinkwasserleitungsnetz müsse überprüft werden. Es sei leider nicht damit getan, an einer Stelle Chlor ins Trinkwasser zu geben. Gestern habe man noch an 20 Stellen positive Befunde erhalten.

Stadtwerke schlagen UV-Bestrahlung für die Brunnen vor

Wie Wassermeister Reinhold Kölling schilderte, seien er und seine Mitarbeiter praktisch seit Freitag auch nachts unterwegs um Proben zu nehmen, Leitungen zu spülen und Hochwasserbehälter teilweise abzulassen und wieder hochzufahren, um eine ausreichende Chlordosierung sicherzustellen.

Karlikowski betonte, weil bekannt sei, dass die Brunnen im Heinekamp und in den Rintelner Wiesen hochwassergefährdet seien. habe man im letzten Jahr alle Brunnen mit Kameras überprüft, die Erdschichten geophysikalisch untersuchen lassen. Kosten der Aktion: rund 150.000 Euro. Gegen einen Eintrag von Bakterien aus dem Grundwasser, bedingt durch die hydrologisch veränderte Situation bei einem Hochwasser sei man allerdings machtlos.

Die Gesundheitsamtsleiterin bestätigte dann auch den Stadtwerken, sie hätten "alles getan, was man in einer solchen Situation tun kann."

Die Stadtwerke wollen das Problem jetzt trotzdem grundsätzlich angehen, auch weil mit Hochwasser wohl häufiger zu rechnen sei, als bisher noch angenommen. Dazu will das Stadtwerkemanagement zwei Maßnahmen vorschlagen:

  1. Es soll technisch aufgerüstet werden. Jörg Karlikowski will dem Aufsichtsrat empfehlen, an den betroffenen Brunnen eine Bestrahlungsanlage mit ultraviolettem Licht einzubauen, um Bakterien abzutöten. Das sei zu 97 Prozent sicher, allerdings auch eine Millionen-Euro-Investition.
  2. Die Stadtwerke Rinteln wollen mit den Stadtwerken Bückeburg kooperieren und eine gemeinsame Leitung in Betrieb nehmen, damit man sich in solchen Krisenfällen aushelfen könne.

In einem Pressegespräch beantworteten die Stadtwerke und das Gesundheitsamt weitere Fragen

Wie hoch ist das gesundheitliche Risiko?

Der Coli-Befall läge im unteren Drittel, erläuterte die Gesundheitsamtsleiterin. Risiken gebe es vor allem für Menschen nach Operationen und nach Infektionen, also mit Immunschwäche, sowie für Säuglinge. Was die Lage kompliziere: Seit Wochen grassiere auch im Schaumburger Land ein Virus, der eine Magen-Darm-Erkrankung auslöse. In Bad Eilsen seien zwei Patienten daran gestorben. Fälle von Durchfall und Erbrechen seien also nicht zwangläufig auf das Wasser zurückzuführen. Ihre Empfehlung: Sofort den Hausarzt konsultieren, wenn sich Symptome zeigen.

Was wären die Konsequenzen eines höheren ColiBefalls?

Dann, erläuterte Dr. Hedwig Pietsch, dürfte Leitungswasser nicht mehr für den Verzehr freigegeben werden mit weitreichenden Folgen. Wasser müsste praktisch aus Tankwagen verteilt werden.

Was ist mit Automaten, die im Haushalt Wasser mit Kohlensäure anreichern?

Ausschalten, empfiehlt die Gesundheitsamtleiterin.

Und Geschirrspülmaschinen?

Könnten betrieben werden, da hier das Wasser ausreichend erhitzt werde.

Wie soll es der Bürger mit dem Zähneputzen halten?

Also Sie personlich sehe da kein Problem, doch auch hier gelte, Immungeschwächte oder Menschen mit Mundverletzungen sollten auf stilles Mineralwasser zurückgreifen oder abkochen.

Warum gab es bei früheren Hochwassern, beispielsweise 1995, keinen Coli-Alarm?

Dr. Hedwig Pietsch: Damals habe es noch nicht so strenge Vorschriften gegeben, solche Fälle auch öffentlich zu machen, damals sei einfach gechlort worden. Nähme man die deutschen Richtlinien als Maßstab, "müsste in Mallorca jede Woche Störfallalarm ausgelöst werden".

Durch das Abkochgebot entstehen für die Bürger Kosten, haften hier die Stadtwerke?

Nein, erläuterte Jürgen Petersen der kaufmännische Leiter. Haften müssten die Stadtwerke nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Die Stadtwerke seien jedoch bereit, wenn besonders hohe Aufwendungen entstanden seien, dann im Einzelfall zu prüfen "wie weit wir Kunden entgegenkommen können." Solche Kunden sollten ihre Aufwendungen schriftlich geltend machen.

Schaumburger Zeitung, 17. Januar 2003