Knapp am „Blackout“ vorbeigeschrammt

01.02.2021

Stadtwerke: Sicherung der Netzstabilität wichtige Aufgabe der nächsten Jahre

Kürzlich ist die Meldung durch die Medien gegangen, Deutschland sei haarscharf an einem großflächigen Stromausfall, einem „Blackout“, vorbeigeschrammt. Verursacht durch technische Probleme in Südosteuropa.

Mit eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Jahre sagt Thomas Sewald, technischer Leiter der Stadtwerke, werde neben dem Ausbau der erneuerbaren Energien vor allem die technische Sicherung der Netzstabilität sein. Wobei das eine das andere bedinge. „Das soll heißen“, erläutert Sewald, „dass durch die Einspeisung von Solar- und Windstrom die Netzstabilität zu einer besonderen Herausforderung geworden ist.“

Vereinfacht gesagt sei das Problem: Solar- wie Windkraftanlagen könne man zwar abschalten, wenn das erforderlich sei, aber nicht einschalten, wenn gerade kein Wind wehe, keine Sonne scheine. Entscheidend sei für eine Netzstabilität – technisch ausgedrückt –, die „Regelenergie“, also die Leistung, die ein Netzbetreiber brauche, um unvorhergesehene Leistungsschwankungen im Stromnetz auszugleichen. So ein Netz ist nämlich ein Sensibelchen, das nur in geringen Schwankungsbreiten um 50 Hertz stabil bleibt. Und Probleme wie Mitte Januar in Südosteuropa könnten schnell eine Kettenreaktion auslösen, die viele Länder erfasst.

Sewald betont, in der Branche werde die Frage der Frequenzerhaltung unter Fachleuten schon lange diskutiert. Doch jetzt habe diese Problemstellung auch die Politik erreicht. Eine Politik, die den Fokus bisher eher auf CO2, den Kohlendioxid-Ausstoß und dessen Reduzierung gelegt habe.

Lange Zeit habe auch das Thema Stromsparen ganz oben auf der Agenda gestanden, Stichwort: Kühlschrank der Effizienz-Klasse AAAA.

Doch die Entwicklung zeige eher in die andere Richtung, so Sewald. Stichworte seien hier: E-Mobilität, Internet-Nutzung, Homeoffice, 5-G-Netz, Wärmepumpen.

Wie ernst die Lage sei, sagt Sewald, habe jeder, den es interessiere, im Januar an der anschließenden Diskussion über den „Fast-Blackout“ in den Medien, vor allem in den Fachmedien verfolgen können. Der Vorfall, von Fachleuten „Netzereignis“ genannt, habe gezeigt, wie eng die Energiewirtschaft europaweit vernetzt sei. Und es sei nicht das erste „Netzereignis“ gewesen.

Was ein großflächiger Stromausfall praktisch bedeutet, haben alle Anwohner entlang des Rheins noch gut in Erinnerung. Eine Hochspannungsleitung musste im Jahr 2006 abgeschaltet werden, damit ein Luxusliner der Meyer-Werft in Papenburg die Ems in Richtung Niederlande passieren konnte. Dann ging etwas schief – und am Rhein entlang alle Lichter aus. „Elektrizität, die Stabilität des Netzes, ist Physik“, sagt Sewald. „Und mit physikalischen Gesetzmäßigkeiten kann man nicht verhandeln.“

Wie kann man das Problem lösen? Daran werde gearbeitet, versichert Sewald. Weil Atomkraftwerke als Reserve keine Option mehr seien, arbeite man jetzt an Lösungen wie beispielsweise Pumpspeicherkraftwerken (wie etwa an der Edertalsperre). Auch Gaskraftwerke würden als Reserve bereit gehalten.

Eine Idee sei auch „Smart Grid“. Eine Kommunikationstechnik, die Stromerzeugung und Stromverbrauch aufeinander abstimme. Das würde beispielsweise bedeuten, die Waschmaschine arbeite erst, wenn genug Strom da sei. Als Vorteil für den Verbraucher gedacht: Dann ist der Strom auch billiger. Das Problem sei bisher nur, sagt Sewald, dass die Software dafür noch nicht so funktioniere, wie sie solle.

Und dann gibt es eine ganz praktische Hürde: „Stellen Sie sich vor, sie sagen ihrer Frau, wann sie die Waschmaschine anschalten darf, wann nicht. Die Antwort könnte möglicherweise heißen: Dann wasch doch das nächste Mal selbst.“

© Schaumburger Zeitung, 01.02.2021